An der Grenze #2

Im griechischen Idomeni richten sich Geflüchtete und Unterstützer_innen mittlerweile auf eine längerfristige Krisensituation ein. Niemand kann momentan verlässliche Angaben darüber machen, wie viele Menschen inzwischen hier gestrandet sind. Schätzungen zufolge sind es etwa 17 000, die sich in zwei neu errichteten Militärcamps und größtenteils im Camp direkt am Grenzzaum befinden. Dort entsteht momentan eine stadtähnliche Struktur mit „Stadtteilen“, Treffpunkten, internen Märkten, Verwaltungen und Ausgaben für Essen und Kleidung. Vor allem die hygienische und gesundheitliche Lage bleibt katastrophal. Die Versorgung mit warmen Mahlzeiten wird in erster Linie von unabhängigen Basisstrukturen geleistet. Aid Delivery Mission kocht täglich für ca. 8000 Menschen und ist dafür dringend auf Spenden angewiesen. Viele Anwohner_innen spenden und unterstützen ebenfalls. Gleichzeitig ist die Lage nicht nur an der Grenze zu einem Wirtschaftsfaktor geworden, beispielsweise für Taxiunternehmen, Geschäfte und die Tourismusbranche.
Die Grenze können täglich nur sehr wenige Menschen passieren, auch hier schwanken die Zahlen. Gestern sollen es 320 gewesen sein. Die Kriterien, die einen Grenzübertritt ermöglichen können, werden von den mazedonischen Behörden immer weiter eingegrenzt. Mittlerweile sind auch diverse Herkunftsstädte aus Syrien und Irak ausgeschlossen worden. So wurden Menschen aus Homs und Damaskus abgewiesen, da ihre Herkunftsstädte „sicher“ seien. Ebenso wurde mit denjenigen verfahren, die aus dem kurdischen Irak oder Bagdad kommen. Abgewiesen wird zudem jede Person, der nachgewiesen werden kann, dass sie sich mehr als 30 Tage in der Türkei oder in Griechenland aufgehalten hat. Wer keine Papiere mehr besitzt, die auch dies nachweisen könnten, wird beispielsweise durch das Durchsuchen der Telefondaten versucht zu überprüfen. Immer wieder werden Geflüchtete mit Bussen nach Athen gebracht, gleichzeitig wird die Reise an die Grenze erschwert. In Athen räumt die Polizei derzeit den Viktoria-Platz, der für Viele ein Anlauf- und Austauschpunkt wie auch Ort zum Campen war. Zum Registrieren der in Griechenland Ankommenden richten die Behörden derzeit landesweit diverse weitere „Hotspots“ ein.
Bekannt geworden sind in den letzten Tagen einige Fälle von extremer Polizeigewalt auf der mazedonischen Seite der Grenze. Anscheinend hat es die mazedonische Polizei dabei vor allem auf diejenigen abgesehen, die der Presse Interviews über die Proteste und die Polizeigewalt der letzten Woche gegeben haben. Zwei Betroffene berichten davon, beim legalen Grenzübertritt wiedererkannt worden und anschließend über einen langen Zeitraum und von unterschiedlichen Polizisten geschlagen und gefoltert worden zu sein. Sie befinden sich nun wieder in Griechenland.
Das Hauptproblem der in Idomeni gestrandeten besteht nach wie vor darin, nicht weiter reisen zu können. Vielen geht mit verstreichender Zeit das Geld aus, da sie es hier für den unmittelbaren Bedarf ausgeben müssen. Die meisten hoffen derweil auf eine politische Lösung und eine Änderung ihrer Situation nach dem heutigen EU-Türkei-Gipfel. Das Zeichen, das von diesem derweil ausgeht ist eindeutig: Flüchtende sollen abgeschreckt werden und die Balkanroute soll endgültig geschlossen werden. Der große Anteil an Frauen und jungen Kindern in Idomeni und die katastrophalen Folgen vor Ort sind unter anderem direkte Folgen der Verschärfung der Regelungen zum Familiennachzug seitens der deutschen Bundesregierung.

Bordermonitoring.eu liefert derzeit einen täglichen Liveticker aus Idomeni.