Genialität: regressiv.

Richard Wagner: Zu seinem 200-jährigen Geburtstag erschien seine Biografie und Werkgeschichte als Graphic Novel im Knesebeck Verlag.

von Johannes Spohr

In seinem „Versuch über Wagner“ schreibt Theodor W. Adorno, des Komponisten Judenhass versammle „alle Ingredienzen des späteren in sich. […] Selbst den Gedanken von der Vernichtung der Juden hat er bereits konzipiert.“

Die Resistenz, mit der das Nationaldenkmal Wagner in Deutschland noch 200 Jahre nach seiner Geburt gepflegt wird, ist bemerkenswert. Wie Markus Liske in der Jungle World passend formulierte, ist es durchaus als feuilletonistischer Erfolg gewertet werden, dass sein Judenhass nur noch selten geleugnet wird oder auf persönliche Ressentiments gegen seinen Kollegen Giacomo Meyerbeer reduziert wird. Selbst hinter diesen Minimalerfolg fällt das Graphic Novel „Wagner“, veröffentlich vor kurzem im Knesebeck-Verlag, zurück. In den auszugsweise auch im „Comix“-Magazin veröffentlichten Strips wird Wagner wie so oft als vielschichtiger und abwechslungsreicher Komponist beschrieben, gefangen zwischen „Genie und Wahnsinn“ (Der Spiegel). In diese Ambivalenz passt der auf einer ganzen Seite erwähnte beschriebene Antisemitismus geradezu hervorragend.

Flavia Scuderi und Andreas Völlinger gehen laut Verlag „das Wagnis ein, sich auf diese ebenso übergroße wie umstrittene Ikone der Musikgeschichte einzulassen“. Weit wagen sie sich dabei allerdings nicht vor. Der Judenhass Wagners wird allein als direkte Reaktion auf die Enttäuschung über und den damit einhergehenden Neid auf den einstigen Kollegen Meyerbeer dargestellt. Wagner habe im September 1850 unter dem Pseudonym „K. Freigedenk“ den Aufsatz Das Judentum in den Musik (sic!) veröffentlicht, „in dem er Juden die Fähigkeit zur Kunst absprach.“ Vor allem von „Bitterkeit“ ist dabei die Rede.

Wer sich mehr als eine Minute mit diesem Dokument und dem Denken Wagners beschäftigt, weiß, dass der Antisemitismus Wagners sich nicht auf wenige Äußerungen beschränkt hat, sondern wesentlicher Bestandteil seines Denkens ist. Mehr noch: Er erfand den Begriff von der „Verjudung“ und gehörte zu den Ersten, die in den theologisch und sozial-ökonomisch geprägten Antijudaismus einen völkisch-rassistischen Ton brachten. „Das Judenthum in der Musik“ gehört zu den ersten Programmschriften des modernen Antisemitismus, der nicht mehr mit der Religion, sondern mit einem unveränderlichen jüdischen Wesen argumentiert. Wagner spiegelt nicht einfach nur die Zeit und den Kontext der entstehenden völkisch-antisemitischen Bewegung wieder, sondern er war einer ihrer wichtigen Impulsgeber. Sein Text traf auf einen Resonanzboden und erlebte schließlich die Hochphase seine Relevanz im Nationalsozialismus. Bereits 1929 hatte Hitler verkündet: „Was der Meister der Töne einst nicht zu ertragen vermochte, das wollen wir, die wir Kämpfer sind, auskämpfen.“

Die Judenfeindschaft, dargestellt als merkwürdige „Marotte“, die das „Genie“ Wagner einfach um einen spannenden Aspekt bereichert, war für den sich als Revolutionär verstehenden Wagner zentral. Seine Musik stellte er in den Dienst einer Erneuerungsidee, die den Juden den Untergang prophezeite. Revolte und Konformismus gehören bei ihm eng zusammen. Streitet er, wie ihn die Graphic Novel dargestellt, während des Dresdner Maiaufstandes auf den Barrikaden mit Bakunin, so richtet er seinen Hass schon bald auf den „Dämon des Geldes“, gegen Schuld und Zinsen.

Das Genre des Graphic Novel gilt häufig als herausstechend progressiv. Das gilt jedoch bei weitem nicht für diese Veröffentlichung, die sich in das gefährliche Kontinuum von Gedenkmünzen und den Auftritt der Kanzlerin bei den Bayreuther Festspielen einreiht.

Andreas Völlinger, Flavia Scuderi: Wagner. Die Graphic Novel, Knesebeck Verlag, 19,95 Euro, 29,0 x 22,0 cm, Gebunden, ca. 48 Seiten.