Sturm auf die Grenze gescheitert

Artikel in Neues Deutschland vom 16.3.2016:

von Johannes Spohr, Idomeni

Bis Dienstagnachmittag sind die meisten der Geflüchteten, die sich am Montag auf eigene Faust über die griechisch-mazedonische Grenze aufgemacht haben, ins Camp in Idomeni zurückgekehrt. Die mazedonische Polizei brachte sie bis zur Grenze, von dort aus liefen sie zu Fuß. Viele von ihnen berichten von Gewalt der mazedonischen Soldaten und Polizisten, vor allem von Tritten und Schlägen. Diese konnte unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, nachdem rund 70 Journalisten und Unterstützer der Geflüchteten festgenommen worden waren. Gegen Zahlung von 260 Euro wurden sie aus dem Polizeigewahrsam in Gevgelia entlassen. Eine Journalistin aus Spanien berichtete, sich unter die Geflüchteten gemischt und von der Polizei getreten und geschlagen worden zu sein.

Am Dienstagmorgen versuchten weitere Migranten, die Grenze auf derselben Route wie die bis zu 2000 am Montag aufgebrochenen zu überqueren. Sie wurden jedoch von der griechischen Polizei gestoppt. Einige von ihnen erwägen, sich in die Türkei abschieben zu lassen, andere denken über die Möglichkeit nach, über Albanien weiterzukommen.

In sozialen und anderen Medien fokussiert sich die Diskussion indessen schnell auf die Urheberschaft eines Flugblatts, das mit „Kommando Norbert Blüm“ unterzeichnet war und die Geflüchteten dazu aufgerufen haben soll, die Grenze gemeinsam zu überqueren. In arabischer Sprache war darin unter anderem zu lesen, das Camp solle eventuell geräumt werden, die Geflüchteten würden möglicherweise zurück in die Türkei abgeschoben und Deutschland akzeptiere noch Flüchtlinge. Als Möglichkeit für eine aktivistische Lösung wurde propagiert, die Grenze gemeinsam zu überwinden, dafür wurde eine entsprechende Skizze beigefügt.

„Wir haben in unseren Händen Flugblätter, die zeigen, dass das eine organisierte Aktion war“, sagte der Sprecher des Krisenstabes für die Flüchtlingskrise, Giorgos Kyritsis, in Athen. Ministerpräsident Alexis Tsipras verurteilte die Flugblatt-Aktion von Idomeni. Dies sei „gefährliches Verhalten zu Lasten der Flüchtlinge“. Er rief die Geflüchteten dazu auf, der griechischen Regierung zu vertrauen und von Idomeni aus in die bereitstehenden Auffanglager zu gehen.

Auch in deutschsprachigen Medien wurde ausgiebig über die Urheberschaft des Flugblattes spekuliert. Es erscheint perfide, dass diejenigen, die seit mehreren Wochen im Schlamm von Idomeni ausharren, noch auf die Regierungen Griechenlands oder die EU hoffen sollen. Innerhalb der letzten Wochen sind sowohl von Regierungsseite als auch von NGOs kaum gesicherte Informationen zu ihnen vorgedrungen. Abseits taktischer Kritik ist deutlich geworden, dass die Geflüchteten sich selbst auf den Weg machten. Dies wäre wohl kaum der Fall, wenn ihre Lage in Idomeni nicht dermaßen hoffnungslos und entwürdigend wäre.

In verschiedenen Berichten wurde der Tod von drei Geflüchteten, die im selben Fluss ertrunken waren, mit der Aktion in Verbindung gebracht. Übereinstimmenden Berichten zufolge kam es jedoch bereits in der Nacht vor der Aktion zu der Tragödie.